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AVIDA 2014 02

106 AVIDA | Sommer 2014 AVIDA KURZGESCHICHTE Eva sah vom Bügeltisch auf, während sie sein Lieblingshemd faltete. „Du hättest es doch in den Trockner werfen kön- nen.“ Evas Handbewegung ließ ihn verstummen. Eva lächelte ihn an, ihren Großen. 195 cm in zwanzig Jahren. „Ich dachte, zur Feier des Tages. Der Kragen wird so um einiges glatter.“ Ihr Sohn schmunzelte, biss vom Sandwich ab, bröselte bis in sein Zimmer. Eva würde nicht mehr die Zeit haben zu saugen. Sie blickte ihm nach, wie er mit einem großen Schritt über die Unter- lagen, die am Boden verteilt lagen, stieg. Seine nächste Prüfung an der Uni war am Montag. Es läutete. Eva zog den Stecker des Bügeleisens ab, lief zur Tür und öffnete einem Mann im wei- ßen Mantel. Er las ihre Personalien von seiner tragbaren Datenbank ab. Sie nickte, alles war in Ordnung. Eva musste die Geburtsurkunde ihres Sohnes vorweisen, anschließend folgte sie dem Mann zu seinem Fahrzeug. In drei Minuten waren sie in der Klinik. Nachdem die Personalien auch im Zentralspei- cher kontrolliert worden waren, Eva per Daumen- abdruck und akustischem „Ja“ ihre Zustimmung erteilt hatte, durfte sie ins Behandlungszimmer. Kurz darauf trat der Arzt ein, überprüfte am Bild- schirm nochmals alle Daten und nahm beruhi- gend ihre Hand. „Zwanzig ist der Sohn schon? Studiert, aha, ver- stehe. Sie sind gerade rechtzeitig gekommen! Dass die Frauen immer erst im letzten Augen- blick an sich denken. Haben Sie es selbst ver- sucht und sind wahrscheinlich – mehrmals − rückfällig geworden?“ Er achtete nicht auf ihr Nicken und schüttelte den Kopf. Schließlich wies er sie an, sich auf das große Bett zu legen. Ihre Schuhe stellte sie auf das Tischchen daneben. Dann wurde sie mitsamt dem Bett endlose Gänge entlang gerollt, ehe sie zu diesem Apparat kam, von dem sie schon so viel gehört hatte. Er ähnelte einem Computerto- mograph. Die Schwester gab ihr einen Becher, den sie leer trinken sollte, augenblicklich schlief Eva ein. Bis die Krankenschwester sie weckte. „Aufwachen. Der Abnabelungsprozess ist abge- schlossen.“ Eva setzte sich auf. Sie konnte keine Veränderung spüren. Aber diese Leichtigkeit, als sie vom Bett sprang. Vor dem Institut warteten eine Menge Taxis, sie stieg in das erste ein und bat den Fah- rer, an einer Buchhandlung zu halten. Sie würde in Zukunft mehr Zeit zum Lesen haben. Abends besuchte sie mit ihrem Mann ihr Lieb- lingsrestaurant. Der Grieche, bei dem es diese herrlichen Muscheln gab. Bei Kerzenlicht saß sie ihrem Mann gegenüber und er bewunderte ihr strahlendes Lächeln. Kurz nach 22 Uhr kam Evas Sohn nachhause. „Gibt`s was zu essen?“ Während Eva auf der Couch sitzen blieb, ver- neinte sie und nahm das Buch zur Hand. Die Mu- scheln hatten übrigens vorzüglich geschmeckt. Silvia Hlavin ZUKUNFTSMÜTTER „ABER MUTTER ...“ Federfrei Verlag 162 Seiten € 12,90 ET Mai 2014

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